Mittwoch, 27. Juni 2012

Grüne starten Offensive für bäuerliche Milchviehhaltung

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Der Milchmarkt befindet sich erneut in der Krise. Der Handel senkt die Preise für Milchprodukte um mehr als zehn Prozent, die Erzeugerpreise stürzen ab. Die Bundesregierung ignoriert die Tatsachen. Sie spricht von einer „Delle" am Milchmarkt und vertritt die Ansicht, dass Ende des Jahres die Preise wieder steigen werden. Dieser Einschätzung widersprechen jedoch alle vorliegenden Fakten. Der Rohstoffwert der Milch, der monatlich am ife-Institut (Kiel) erhoben wird, ist binnen einen Jahres um 31,3 Prozent gesunken. Auch an der globalen Handelsbörse ist der Preis für Milchprodukte im vergangenen Jahr um 30 Prozent gefallen. Eine Erholung ist nicht in Sicht.

Die Krise am Milchmarkt ist Folge einer auf Massenproduktion basierenden Exportstrategie, der sich auch die Bundesregierung verschrieben hat. Der globale Milchsee wächst - laut FAO allein in 2012 wieder um vier Prozent. Die Preise fallen. Die Milchbäuerinnen und -bauern müssen immer größere Milchmengen produzieren, um kostendeckend zu wirtschaften. Betriebe, die nicht expandieren wollen, geraten unter massiven Existenzdruck. So dreht sich die Abwärtsspirale der Milch-Inflation.

Um eine faire, ökologische und kostendeckende Milchproduktion auf bäuerlichen Betrieben zu erhalten, muss der Irrweg der Massenproduktion unverzüglich verlassen werden. Stattdessen muss die Regierung gemeinsam mit den Akteuren am Milchmarkt eine Offensive für die Milchviehhalter starten. Angesichts eines Selbstversorgungsgrads von aktuell 125 Prozent müssen Regelungen für eine nachfrageorientierte Milchmengenregulierung entwickelt und etabliert werden. Kurzfristig bedeutet das unter anderem die Aussetzung der diesjährigen Quotenerhöhung. Vor allem aber muss die Regierung alles daran setzen, die Erzeuger in ihrer Marktmacht zu stärken, damit sie den Preis für ihr Produkt aktiv mitgestalten können. Das gilt gerade in Zeiten, in denen Großmolkereien - wie der globale Milchkonzern Arla - Molkerei für Molkerei schlucken. Ein Verbot von Doppelmitgliedschaften in Erzeugerorganisationen und eine strenge Andienungspflicht, wie es die Bundesregierung im Rahmen einer Änderung des Marktstrukturgesetzes wohl plant, sind in diesem Zusammenhang kontraproduktiv.

Das milchpolitische Leitbild muss die Kuh auf der Weide sein. Diese Haltung produziert den höchsten gesellschaftlichen Mehrwert. Sie stärkt die Wertschöpfung in den Regionen. Sie leistet Wesentliches zum Erhalt der Landschaften. Sie ist tiergerecht und steht im Einklang mit Umwelt- und Klimaschutzzielen. Für die Weidehaltung müssen die Bäuerinnen und Bauern einen höheren Preis auf den Milchmärkten erzielen. Diese Art der Erzeugung ist teurer, als die Milchproduktion in industriellen und rationalisierten Massenställen. Aber die Verbraucherinnen und Verbraucher sind bereit den Preis zu zahlen, wenn die grasende Kuh auf der Packung die wahre Geschichte über die Herkunft der Milch erzählt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

• ihre auf Massenproduktion und Export orientierte Milchpolitik zu beenden und den Rahmen für eine faire, ökologische und kostendeckende Milchproduktion zu setzen.
• unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um die aktuelle Situation am Milchmarkt zu stabilisieren und zu verbessern. Dazu sollte als erster Schritt die diesjährige Erhöhung der Milchquote ausgesetzt werden.
• die Marktposition der Erzeuger gegenüber den Abnehmern zu stärken. Dazu müssen die Milchviehbetriebe in die Lage versetzt werden, die ohnehin viel zu geringen Bündelungsmöglichkeiten, die das EU-Milchpaket bietet, optimal zu nutzen.
• eine „Bündelungsoffensive Milch" aufzulegen, die die Milchbäuerinnen und –bauern bei der Bildung von Erzeugergemeinschaften finanziell und organisatorisch unterstützt.
• gemeinsam mit den Akteuren am Milchmarkt Regelungen für eine nachfrageorientierte Milchmengenregulierung zu entwickeln und einzuführen.
• einen Milch-Gipfel mit Erzeugern, Molkereien, Handel und Verbrauchern einzuberufen, um Ansätze zur Stärkung der kostendeckenden Qualitätsmilcherzeugung z.B. durch Weidemilchkonzepte voranzutreiben.
• verbrauchertäuschende Werbung, die Weidehaltung vorgaukelt, zu unterbinden, damit Verbraucherinnen und Verbraucher eine wirkliche Entscheidungsgrundlage beim Einkauf haben.

Berlin, den 26. Juni 2012
Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

gruene-bundestag.de